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Aktuelle Rechtsprechung
In einem jüngst veröffentlichten Beschluss hat sich der Bundesfinanzhof erneut mit dem sogenannten Reemtsma-Direktanspruch befasst (BFH, Beschl. v. 05.12.2024, V R 11/23). Im Mittelpunkt der Entscheidung stand die Frage, ob das Vorliegen einer Rechnung über eine bereits erbrachte oder künftig zu erbringende Leistung eine zwingende Voraussetzung für die Geltendmachung dieses Anspruchs darstellt. Des Weiteren entschied der BFH, dass die Differenzbesteuerung bei anteiligem Recht zum Vorsteuerabzug am Liefergegenstand nicht anzuwenden ist.

BFH, Urteil v. 05.12.2024, V R 11/23
Leistungs- und Rechnungserfordernis beim sog. Reemtsma-Direktanspruch
Sachverhalt
- Der Klägerin (Organträgerin der M-GmbH) wurde ein Vorsteuerabzug versagt, den sie auf Basis von sog. „Belastungen“ mit negativen Beträgen geltend gemacht hatte, die von einem Abnehmer der M-GmbH ausgestellt wurden
- Die Klägerin ging davon aus, der Abnehmer habe für diese Zahlungen seinerseits Leistungen (in Form von „Werbekostenzuschüsse“) an die M-GmbH erbracht
- Diese Zahlungen wurden als Boni (z. B. „Kategorienbonus“, „Umsatzzuwachs“, „Zentralbonus“) deklariert, die der Abnehmer wiederum versteuerte, ohne dass es zu einer Korrektur kam
- Das FA ging davon aus, dass für die ausgeführten Lieferungen von Nahrungsmitteln in flüssiger Form zu Unrecht der ermäßigte Steuersatz angewendet wurde
- Zudem sah das FA die Bonuszahlungen nicht als Entgelt für sonstige Leistungen, sondern als Entgeltminderung auf steuersatzermäßigte und dem Regelsteuersatz unterliegende Lieferungen, sodass der nach Maßgabe des Regelsteuersatz in Anspruch genommene Vorsteuerabzug zu versagen sei
- In Höhe des Nachforderungsbetrags machte die M-GmbH einen Berichtigungs- und Rückforderungsanspruch gegen den Abnehmer geltend, wobei dies aufgrund des eröffneten Insolvenzverfahrens über dessen Vermögen zu keiner Zahlung führte
- Infolgedessen wandte sich die Klägerin mit einer auf das Festsetzungsverfahren bezogenen Klage gegen den erlassenen Änderungsbescheid, wobei die Klägerin eine Sammelrechnungsberichtigung vornahm und dabei das Minuszeichen rückwirkend strich und die Bezeichnung „Rechnung“ ergänzte
- Die Klage und die folgende Sprungklage – mit der insbesondere die Rechtswidrigkeit der Ablehnung der abweichenden Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen geltend gemacht wurde – hatten keinen Erfolg
Entscheidung
- Der BFH verwies in seinem Beschluss auf das Grundsatzurteil „Reemtsma Cigarettenfabriken“ aus dem Jahr 2007, wonach es sich um eine zu Unrecht in Rechnung gestellte Steuer handeln müsse
- Der BFH bestätigt grundsätzlich den Direktanspruch
- Allerdings nur für den Fall des Vorliegens einer Rechnung über eine Leistung, wäre ein Direktanspruch gegenüber dem Steuergläubiger mit dem Neutralitäts- und Effektivitätsgrundsatz – unter dem Vorliegen der weiteren Voraussetzungen – vereinbar
- Die ungerechtfertigte Bereicherung des Staates sei für die eigenständige Begründung eines Direktanspruchs nicht ausreichend, denn der BFH versteht den Direktanspruch als eine Art Ausgleichsanspruch für eine gesetzlich entstandene Steuer (Leistung und Rechnung)
- Der Direktanspruch sei kein Ersatz- oder Hilfeanspruch des Rechnungsempfängers in Form eines allgemeinen Ausgleichsanspruchs gegen den Fiskus
BFH, Urt. v. 09.12.2024, XI R 9/23
Keine Differenzbesteuerung bei anteiligem Recht zum Vorsteuerabzug am Liefergegenstand
Sachverhalt
- Die Klägerin kaufte eine antike Kommode und Sanitärgegenstände wie ein Waschbecken ein
- Die Kommode wurde ohne Recht zum Vorsteuerabzug von einer Privatperson erworben, wobei die Sanitärgegenstände mit Recht zum Vorsteuerabzug erworben wurden
- Anschließend verkaufte die Klägerin die zusammengebauten und aufgewerteten Bestandteile als „Waschkommode“ weiter
- Dabei wendete die Klägerin auf die Lieferung der Waschkommode die Differenzbesteuerung an und unterwarf den Umbau der Regelbesteuerung
- Das FA hielt die Anwendung der Differenzbesteuerung für unzulässig, da sich aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers um eine einheitliche Leistung handele, die nicht künstlich aufgespalten werden könne
- Der neu entstandene Gegenstand sei von der Differenzbesteuerung ausgeschlossen, da es an der Nämlichkeit fehle
Entscheidung
- Der BFH versagte ebenfalls die Differenzbesteuerung, allerdings mit einer anderen Begründung
- Der Bezug des Waschbeckenaufsatzes und der Armaturen, welcher einen nicht unbedeutenden Teil des Liefergegenstandes darstelle, berechtige zum Vorsteuerabzug
- Demnach lägen die Voraussetzungen der Differenzbesteuerung (§ 25a Abs. 1 Nr. 2 S. 2 UStG) nicht vor
- Die Sache war nicht spruchreif. Das FG hat nun erneut zu prüfen, ob eine einheitliche Leistung vorliegt; falls zwei eigenständige Leistungen vorliegen, könnte nur auf die folgende Weiterlieferung der „Waschkommode“ die Differenzbesteuerung Anwendung finden
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