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11.04.2025

Aktuelle Rechtsprechung

Der BFH veröffentlichte in dieser Woche ein Urteil vom 11.12.2024, XI R 35/21 zu dem Bescheinigungsverfahrens des § 4 Nr. 21 UStG. In diesem Urteil beschäftigte sich der BFH mit den Fallstricken einer über 20 Jahre rückwirkend erteilten Bescheinigung gemäß § 4 Nr. 21 UStG. Des Weiteren hat der BFH in einem Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde mit Beschluss vom 07.03.2025, XI B 25/24 bestätigt, dass die Beweislast für die Voraussetzungen des Anspruchs auf Vorsteuerabzug den Steuerpflichtigen trifft. Zudem äußerte der BFH sich zum Vorsteuerabzug aus Insolvenzverwalterleistungen bei Unternehmensfortführung (BFH, Urt. v. 23.10.2024, XI R 20/22) und bei Unternehmenseinstellung (BFH, Beschl. v. 23.10.2024, XI R 8/22). Zum Thema Umsatzsteuer und Insolvenz folgte ein letzter Beschluss, in dem der BFH entschied, dass der Vorsteuerüberhang aus dem Insolvenzeröffnungsverfahren mit der Umsatzsteuer aus vorinsolvenzlicher Zeit zu saldieren ist (BFH, Beschl. v. 11.12.2024, XI R 1/22).

Holzwürfel mit den Buchstaben T, A und X auf Stapeln von Münzen vor einem Richterhammer, Symbol für Steuern und rechtliche Entscheidungen im Finanzwesen.

BFH, Urt. v. 11.12.2024, XI R 35/21

Grenzen der Überprüfung im Einspruchsverfahren; kein Verbinden von Verfahren bei zusammen mit dem Einspruch erstmalig gestelltem Billigkeitsantrag

Sachverhalt
  • Der Kläger meldete die im Jahr 2005 erbrachten Leistungen einer Kampsportschule, die auch Trainer ausbildet, im Jahr 2007 beim Finanzamt als umsatzsteuerpflichtig an
  • Umsatzsteuer hatte der Kläger jedoch nicht ausgewiesen
  • Im Jahr 2011 beantragte er eine Bescheinigung gemäß
    § 4 Nr. 21 UStG, die ihm letztlich im Jahr 2017 rückwirkend bis ins Jahr 1996 erteilt wurde
  • Der Kläger beantragte im Jahr 2015, den USt-Bescheid für 2005 zu ändern und die Umsätze steuerfrei zu stellen
  • Das Finanzamt lehnte im Jahr 2019 den Einspruch des Klägers ab, woraufhin der Kläger mit Einspruch eine Billigkeitsmaßnahme gem. BMF-Schreiben beantragte, die das Finanzamt mit Einspruchsentscheidung ablehnte
Entscheidung
  • Das FG gab der folgenden Klage des Klägers statt und verpflichtete das Finanzamt, aufgrund der Billigkeitsmaßnahme die Umsätze steuerfrei zu stellen
  • Der BFH hob in Folge der Revision das Urteil auf und verpflichtete das Finanzamt, über den Billigkeitsantrag zu entscheiden
  • Die der Behörde eingeräumte Überprüfungsmöglichkeit im Einspruchsverfahren findet ihre Grenze im angefochtenen Verwaltungsakt als dem formellen Gegenstand des Einspruchs
  • Wenn das Finanzamt erstmalig im Einspruchsverfahren über eine Billigkeitsmaßnahme ohne weitere Einspruchsverfahren entscheiden dürfte, würde dem Steuerpflichtigen bei Ermessensentscheidungen eine Prüfungsebene genommen werden
  • Festsetzungs- und Billigkeitsverfahren können nicht (ohne weiteres) miteinander verbunden werden, wenn der Steuerpflichtige seinen Billigkeitsantrag erst mit Einspruch gegen den USt-Bescheid stellt

BFH, Beschl. v. 07.03.2025, XI B 25/24
Kein Verlust des Rügerechts und Beweislast für den Vorsteuerabzug

  • Der BFH entschied, dass ein Verlust des Ablehnungsrechts gem. § 43 ZPO nicht dadurch eintrete, dass sich eine Partei nach Ablehnung des Richters wegen Besorgnis der Befangenheit auf die weitere Verhandlung einlässt
  • Der BFH bestätigte auch, dass die Beweislast für den Vorsteuerabzug den Unternehmer trifft und die Finanzbehörden und damit auch die Finanzgerichte vom Steuerpflichtigen Belege verlangen können, die ihnen für die Beurteilung der Frage, ob der verlangte Vorsteuerabzug gewährt werden kann, notwendig erscheinen

BFH, Beschl. v. 23.10.2024, XI R 8/22
Vorsteuerabzug aus Insolvenzverwalterleistungen bei steuerpflichtigen und steuerfreien Ausgangsleistungen (Unternehmenseinstellung)

  • Der BFH bestätigte seine Rechtsprechung zum Vorsteuerabzug der Insolvenzmasse, aus den Leistungen des Insolvenzverwalters, wenn das Unternehmen nicht fortgeführt wird
  • Grundsätzlich ist die frühere Tätigkeit des Insolvenzschuldners entscheidend
  • Wird das Unternehmer nicht fortgeführt, so ist für den Vorsteuerabzug die Tätigkeit des Insolvenzverwalters für den Insolvenzschuldner (Realisierung der im Insolvenzverfahren angemeldeten Forderungen der Insolvenzgläubiger) maßgebend

BMF-Schreiben vom 31.03.2025
Umsatzsteuerrechtliche Behandlung des Direktverbrauchs aus dem Betrieb von Anlagen zur Energieerzeugung

  • Die Finanzverwaltung nimmt ausführlich zu Fragen des dezentralen Verbrauchs, den Erfordernis für die Lieferung von Energie, den unentgeltlichen Wertabgaben und des Vorsteuerabzugs in Umsetzung der BFH-Urteile XI R 18/21, V R 22/21, V R 34/20 und XI R 31/19 Stellung
  • Leistungsaustausch und nichtsteuerbare Zuschüsse werden bei Energieabgaben im Bereich der Photovoltaikanlagen und KWK-Anlagen abgegrenzt

BFH, Urt. v. 23.10.2024, XI R 20/22
Vorsteuerabzug aus Insolvenzverwalterleistung bei Unternehmensfortführung durch den Insolvenzverwalter

  • Der BFH entschied erstmals, dass die Vorsteuer aus einer Insolvenzverwalterleistung nach der Gesamttätigkeit seiner steuerpflichtigen, steuerfreien und nichtwirtschaftlichen Tätigkeit vorgenommen werden kann, wenn der Insolvenzverwalter in einem Sonderfall ohne Vornahme von Verwertungshandlungen die unternehmerische Tätigkeit des Insolvenzschuldners fortführt
  • Die Vorsteuer aus einer Insolvenzverwalterleistung ist entsprechend § 15 Abs. 4 UStG aufzuteilen, wenn der zum Vorsteuerabzug berechtigte Insolvenzschuldner die Leistung des Insolvenzverwalters sowohl für die Befriedigung seiner unternehmerischen als nicht unternehmerischen Insolvenzverbindlichkeiten bezieht

BFH, Beschl. v. 11.12.2024, XI R 1/22
Vorsteuerüberhang aus dem Insolvenzeröffnungs-verfahren ist mit USt aus vorinsolvenzlicher Zeit zu saldieren

  • Der BFH entschied, dass eine Einbeziehung des sich für den Zeitraum des vorläufigen Insolvenzverfahrens ergebenden Vorsteuer-Vergütungsanspruchs nicht möglich ist
  • Eine abweichende Einbeziehung ergibt sich auch nicht aus § 55 Abs. 4 InsO, da nur Verbindlichkeiten und keine Forderungen erfasst werden
  • Eine analoge Anwendung des § 55 Abs. 4 InsO scheidet mangels planwidriger Regelungslücke aus

 

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