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Aktuelle Rechtsprechung
Die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung (i.g. Lieferung) ist für Unternehmen seit Einführung des Binnenmarkts von erheblicher Bedeutung. Mit der Einführung der Gelangensbestätigung sind an diesem System Zweifel aufgekommen. In der Praxis wird oft die Frage aufgeworfen, welche Rechtsfolge entsteht, wenn ein besonders sorgfältiger Steuerpflichtiger die dem Abnehmer übergebene Gelangensbestätigung nicht zurückerhält. Einen solchen Fall hatte das FG Hessen zu entscheiden (FG Hessen, Urt. v. 01.07.2024, 1 K 1247/21). Nachstehend legen wir die Entscheidung kurz dar und geben Ihnen praxisrelevante Hinweise mit auf den Weg. Anschließend informieren wir kurz über ein aktuelles BFH-Urteil zum Vorsteuervergütungsverfahren bei Anzahlungsrechnungen (BFH, Urt. v. 12.12.2024, V R 6/23) sowie ein neues EuGH-Urteil zum Verhältnis zwischen Vorsteuerabzug und dem sogenannten Reemtsma-Direktanspruch (EuGH, Urt. v. 13.03.2025, C-640/23 – Greentech).

FG Hessen, Urt. v. 01.07.2024, 1 K 1247/21, Az. BFH, V R 3/25
Sachverhalt
- Ein Steuerberater (Verkäufer) wollte sein PKW an einen rumänischen Abnehmer im Rahmen einer i.g. Lieferung verkaufen
- Der Verkäufer traf alle erdenklichen Vorkehrungen eines sorgfältigen Kaufmanns, um die Einbindung in einen Missbrauch zu vermeiden
- Der Verkäufer rechnete daher mit Hinweis auf die Steuerbefreiung der i.g. Lieferung ab, wobei beide USt-IdNr. der Beteiligten aufgeführt wurden
- Im Kaufvertrag verpflichtete sich der Käufer, das Fahrzeug nach Rumänien auszuführen
- Der Verkäufer händigte dem Käufer eine Gelangensbestätigung aus, die nach Ankunft in Rumänien an ihn zurückgesendet werden sollte
- Trotz telefonischer und schriftlicher Mahnung wurde die Gelangensbestätigung von der Abnehmerin nicht erteilt
- Der Verkäufer behandelte den Verkauf des PKW in seiner USt-Jahreserklärung als umsatzsteuerfrei
- Aus dem Zentralen Fahrzeugregister ergab sich die vereinbarungsgemäße Abmeldung des Pkw, sodann jedoch – einen Monat später – eine Anmeldung auf einen rumänischen Staatsbürger im Inland und später wurde der Pkw in den Niederlanden zugelassen
- Das Finanzamt ermittelte aus steuerstrafrechtlichen Gründen gegen den Verkäufer, da dieser wohl ein Betrugsmodell durchführte
- Dem Verkäufer untersagte das Finanzamt mangels Gelangensbestätigung die Steuerbefreiung der i.g. Lieferung
Entscheidung
- Das FG Hessen wies die Klage als unbegründet zurück und bestätigte die Versagung der Steuerbefreiung für die i.g. Lieferung
- Ohne die Gelangensbestätigung bestehe kein Vertrauensschutz nach § 6a Abs. 4 UStG
- Auf Aussagen in der Literatur, nachdem für die Entstehung des guten Glaubens es nicht auf das Vorlegen einer Gelangensbestätigung ankommen könne, da sich der gute Glaube im Zeitpunkt der Lieferung bilde und die Gelangensbestätigung zu dieser Zeit noch nicht vorliegen könne, käme es laut dem FG Hessen nicht an, da so die Vorlage der Nachweise stets auf Berufung des guten Glaubens unterbleiben könnte
- Die Einzelrichterin stimmt dem Finanzamt darin zu, dass der Verkäufer sich zivilrechtlich durch Einbehaltung einer Kaution in Höhe der USt hätte absichern müssen
Praxishinweise
- Das FG Hessen verschärft mit dieser Entscheidung die ohnehin risikobehafteten Abholfälle einer i.g. Lieferung mit Gelangensbestätigung
- Betroffene Unternehmer sollten vorzeitig (vor Vertragsschluss) Regelungen treffen, um dem Risiko einer fehlenden Gelangensbestätigung entgegenzuwirken
- Im Zweifel sollte der Unternehmer nur Zug um Zug nach Erhalt der Gelangensbestätigung steuerfrei fakturieren
- Für eine dauerhafte interessengerechte Lösung muss man nun hoffen, dass der BFH sich der Sache annimmt
Vorsteuervergütungsverfahren bei Anzahlungsrechnungen
(BFH, Urt. v. 12.12.2024, V R 6/23)
- Vorsteuervergütungsberechtigte legte mit ihrem Vergütungsantrag nur die Endabrechnung vor
- Die in der Anzahlungsrechnung offen ausgewiesene USt wurde bereits in Abzug gebracht (§ 14 Abs. 5 S. 2 UStG)
- BZSt versagte insoweit die Vergütung
Entscheidung
- Der Erstattungsantrag kann nicht aufgrund dessen als nicht vorgelegt angesehen werden, dass der Antragsteller seinem Erstattungsantrag nicht die Kopie der Anzahlungsrechnung beigefügt hat
Verhältnis der Verfahren des Vorsteuerabzugs und des sog. Reemtsma-Direktanspruchs
(EuGH, Urt. v. 13.03.2025, C-640/23 – Greentech)
- Verhältnis der Verfahren des Vorsteuerabzugs und des sog. Reemtsma-Direktanspruchs
- Nach rumänischen Recht soll im Jahr 2021 dem Lieferer eine Rechnungskorrektur nicht möglich gewesen sein
- Dem Erwerber wurde der Vorsteuerabzug aus seiner Eingangsrechnung versagt, da eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung vorliege
- Der EuGH lehnte die Argumentation des Klägers ab, dass er den Vorsteuerabzug begehren könne, da ihm ein Direktanspruch gegenüber dem Fiskus zustehe
- Daraus folgt, dass ein Mitgliedstaat anscheinend festlegen kann, dass der Direktanspruch in einem anderen Verfahren neben der Steuerfestsetzung geltend gemacht werden muss
- Offen lässt der EuGH, ob der Grundsatz der Effektivität von zwei getrennten Verfahren verletzt wird
- Bestätigt vom EuGH wird, dass eine unrichtig ausgewiesene Umsatzsteuer nach Art. 203 MwStSystRL, (in Deutschland § 14c UStG) nicht als Vorsteuer abziehbar ist
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