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Gratiszugabe erfordert keine Entgeltaufteilung – E-Paperzugabe zum Print-Abo ist mit 0,00 EUR Entgelt zu bemessen.
Keine Aufteilung des umsatzsteuerlichen Entgelts zum ermäßigten Steuersatz bei Verkauf einer Zeitung im Print-Abonnement einerseits und zum Regelsteuersatz für das entsprechende E-Paper andererseits in den Jahren 2009 bis 2012 erforderlich.
In späteren Jahren (bis zum 17.12.2019) ist eine Entgeltaufteilung grundsätzlich immer geboten.

Worum geht es grundsätzlich?
Seit 18.12.2019 unterliegen nach § 12 Abs. 2 Nr. 14 UStG auch Veröffentlichungen in elektronischer Form, wenn sie funktional herkömmlichen Büchern, Zeitungen, Zeitschriften oder sonstigen in Nr. 49 Buchst. a bis e und Nr. 50 der Anlage 2 zum UStG bezeichneten Erzeugnissen entsprechen, dem ermäßigten Steuersatz. Hierzu zählen z.B. reine Online-Publikationen von Tageszeitungen. Vor dem 18.12.2019 kam es wegen der unterschiedlichen Steuersätze auf Print-Produkte z.B. einer Tageszeitung (7 %) und entsprechender Online-Ausgaben (19 %) in der Praxis häufig zu Streitigkeiten mit der Finanzverwaltung. Nach dieser Auffassung sei zu prüfen, ob bei gleichzeitiger Abgabe einer gedruckten Zeitung bzw. eines gedruckten Buchs und der Einräumung des elektronischen Zugangs zum E-Paper bzw. zum E-Book von einer einheitlichen Leistung oder aber von mehreren getrennt zu beurteilenden selbständigen Leistungen auszugehen ist. Im Ergebnis handele es sich bei der Einräumung eines zusätzlichen Zugangs zum E-Paper bzw. zum E-Book neben der Abgabe der gedruckten Zeitung bzw. des gedruckten Buchs um eine eigenständige, gesondert zu würdigende Leistung in Form einer sonstigen Leistung i. S. v. § 3 Absatz 9 Satz 1 UStG, die auf elektronischem Weg erbracht wird. Wurde der Zugang zum E-Paper bzw. E-Book ohne ein gesondert berechnetes Entgelt eingeräumt, war der Gesamtverkaufspreis nach Maßgabe von Abschnitt 10.1. Abs. 11 UStAE aufzuteilen. Danach war grundsätzlich das Verhältnis der Einzelverkaufspreise maßgebend. Andere gleich einfache Methoden waren jedoch zulässig, soweit sie zu sachgerechten Ergebnissen führten.
Ausgangsfall
In dem Revisionsverfahren (Az. XI R 29/23) ging es um die Streitjahre 2009 bis 2012. Die Kl. gab in den Streitjahren die A-Zeitung heraus. Eine Organgesellschaft der Kl. war Herausgeberin der B-Zeitung. Die Herausgabe der Tageszeitungen erfolgte zunächst nur auf Papier, u.a. im Print-Abo. In den Streitjahren wurden beide Zeitungen sowohl auf Papier als auch als inhaltsgleiches E-Paper (im PDF-Format) herausgegeben. Bereits seit dem Jahr 2010 war daneben ein Abonnement des E-Papers der A-Zeitung (E-Abo) für 13,99 € pro Monat möglich. Bis März 2012 führten diese E-Abos nicht zu einer Erhöhung der Auflagenzahl. Abonnenten der Printausgabe der A-Zeitung erhielten vom 01.01.2009 bis zum 28.02.2012 und Abonnenten der Printausgabe der B-Zeitung vom 01.01.2010 bis mindestens zum 31.12.2012 die Möglichkeit, ohne Zuzahlung auch auf das E-Paper zuzugreifen. Erforderlich für den kostenlosen Zugriff war aber eine elektronische Registrierung für das E-Abo auf der Internetseite der jeweiligen Zeitung. Diese Registrierung nahm die weit überwiegende Zahl der Print-Abonnenten nicht vor. Nach dem 28.02.2012 mussten Inhaber eines Print-Abos der A-Zeitung für das zusätzliche E-Abo eine zusätzliche Zahlung entrichten, die anfänglich bei 0,99 € pro Monat lag.
Die Kl. wendete auf ihre Leistungen an die Print-Abonnenten, die keine Zuzahlungen für das E-Abo leisteten, den in § 12 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Anlage 2 Nr. 49 UStG u.a. für Zeitungen vorgesehenen ermäßigten Steuersatz von 7 % an. Sie nahm an, das zusätzliche, für Print-Abonnenten kostenlose E-Abo sei keine selbständige Leistung gegen Entgelt neben der entgeltlichen Lieferung der Papier-Zeitungen im Print-Abo.
Das FA nahm an, dass die Bereitstellung des E-Abos neben dem Print-Abo eine selbständige Leistung gegen Entgelt sei, auf die der Regelsteuersatz (19 %) Anwendung finde. Der Abonnementpreis sei daher aufzuteilen. Es schätzte die anteilige Bemessungsgrundlage für das E-Abo auf 1,99 € und nahm anhand der Gesamtanzahl der Print-Abos (unabhängig davon, wie viele der Print-Abonnenten sich für das E-Abo registriert hatten) eine Erhöhung der Umsätze zum Regelsteuersatz und eine Minderung der Umsätze zum ermäßigten Steuersatz vor.
Das FG Saarland hatte die Klage abgewiesen aber die Revision zugelassen.
Entscheidung des BFH
Der BFH hat mit Urteil v. 09.07.2025, XI R 29/23 (veröffentlicht am 06.11.2025) entgegen dem FG entschieden: Bei der Lieferung einer Zeitung aus Papier (Print-Abo) und der Gewährung eines Zugangs zu einem E-Paper der Zeitung (E-Abo) handelt es sich um selbständige Hauptleistungen, da sie nicht untrennbar sind, beide für den Kunden einen eigenständigen Zweck haben und das E-Paper somit nicht nur dazu dient, die Printausgabe der Zeitung unter optimalen Bedingungen zu lesen. Dennoch führte die Zugabe des E-Papers zum Print-Abo nach Ansicht des BFH nicht zu einer Entgeltaufteilung in eine Bemessungsgrundlage für das E-Paper, auf welche der seinerzeit geltende Steuersatz 19% für das E-Paper angewendet würde, und einen Anteil der Bemessungsgrundlage für die Versteuerung mit 7% für das Print-Abo. In den Jahren 2009 bis 2012 war es (so der BFH) noch gerechtfertigt, dem Zugang zum E-Abo einen Anteil am Gesamtentgelt von 0 € zuzuweisen, wenn und solange sich anlässlich der erstmaligen Gewährung des Zugangs der Gesamtpreis für das Abonnement nicht erhöht hatte.
Hinweise für die Praxis
Für die Kl. ist die BFH-Entscheidung erfreulich (sie hat obsiegt), für die Zeitungsbranche insgesamt, was die Jahre 2013 bis zum 17.12.2019 angeht, jedoch nicht. Allerdings lässt der BFH auch noch Fragen offen, so dass in diesen Jahren eine gerichtliche Klärung noch möglich erscheint.
Der BFH ist im Grundsatz der seinerzeitigen Auffassung der Finanzverwaltung gefolgt, soweit es die Frage der Einheitlichkeit der Leistung bzw. das Verhältnis von Haupt- und Nebenleistung betrifft. Nach der Entscheidung hat ein Print-Abonnent als identifizierbarer Leistungsempfänger die Möglichkeit zum Abruf des E-Papers als verbrauchsfähigen Vorteil erhalten, wobei der BFH im Streitfall offenlassen konnte, ob dies für alle Abonnenten oder nur für die registrierten Abonnenten gilt. Es ist nicht möglich, diesen verbrauchsfähigen Vorteil nach den Grundsätzen des EuGH-Urteils v. 05.10.2023, C-505/22, Deco Proteste – Editores, wie eine Abo-Prämie (in dem EuGH-Verfahren ging es um Prämien in Form eines „gadget“ (namentlich ein Tablet) im Rahmen einer Werbekampagne für Zeitungs-Abonnements) als Nebenleistung anzusehen, weil der Print-Abonnent, dem beide Ausgaben zur Verfügung stehen, nach seinen persönlichen Präferenzen sowie nach den Umständen des Einzelfalls wählt, welche Zeitung er liest, ohne dass einer der beiden Ausgaben eine Vorrangstellung vor der anderen Ausgabe zukäme. Von daher kann nach dem BFH-Urteil nicht angenommen werden, dass das E-Paper für die Kundschaft keinen eigenen Zweck habe, sondern nur das Mittel darstelle, um die Hauptleistung des Leistungserbringers (Lesen des Print-Abos) unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Vielmehr werde der Leser des E-Papers im Regelfall nicht auch noch die Zeitung auf Papier lesen. Das PDF der Zeitung diene nicht dazu, das Papierexemplar der Zeitung (unter optimalen Bedingungen) zu lesen.
Entgegen diesen Grundsätzen ist der BFH jedoch für die Streitjahre 2009 bis 2012 (um diese ging es bei dem Rechtsstreit) zu dem Ergebnis gelangt, dass es in diesen Jahren noch nicht gerechtfertigt war, der Einräumung der Nutzungsmöglichkeit der E-Paper einen Entgeltanteil zuzuweisen. Da somit die Leistung der Kl. an ihre Print-Abonnenten mit dem vollen Abonnementpreis als Entgelt dem ermäßigten Steuersatz unterlag, war der Klage stattzugeben.
Der BFH hat sich an der Entscheidung des österreichischen Verwaltungsgerichtshofs (VwGH) v. 22.11.2018, Ra 2017/15/0091, orientiert. Zu einem vergleichbaren Sachverhalt betreffend die Streitjahre 2006 bis 2013 kam der VwGH zu folgendem Ergebnis: Unabhängig davon, ob es sich bei der Lieferung der gedruckten Tageszeitung und der Zugänglichmachung der digitalen Ausgabe umsatzsteuerlich um zwei eigenständige Leistungen handelt, fiel im Streitfall entscheidend ins Gewicht, dass dem Zeitungsunternehmen durch die Zurverfügungstellung eines Online-Zugangs an die Print-Abonnenten kein nennenswerter Aufwand erwachsen war und das Unternehmen diese (sonstige) Leistung auch ohne Aufpreis einräumte („Gratis-Zugriff“). Vor diesem Hintergrund konnte im Hinblick auch auf die unstrittige Interessenslage der Kunden des Print-Abonnements an dem in Rede stehenden Online-Zugang schon deshalb kein Teil des im gewöhnlichen Geschäftsverkehr verlangten Printabonnementpreises der Zugänglichmachung der Online-Ausgabe zugerechnet werden.
Der BFH hat sich im Ergebnis der Auffassung angeschlossen, dass weder die Print-Abonnenten einer Zeitung zur damaligen Zeit ein Entgelt für das im Abo kostenlos mitenthaltene E-Paper entrichtet haben, noch die Kl. eine Zahlung hierfür (vom Abonnenten oder Dritten) erhalten hat. Dies zeigt sich für den BFH im Streitfall in der Gesamtschau daran, dass sich, worauf die Kl. mehrfach unwidersprochen hingewiesen hatte, nur 10 % bis 15 % der Print-Abonnenten überhaupt für den zusätzlich eingeräumten Zugriff auf das E-Paper registriert hatten. Nachdem die Kl. ab dem 01.03.2012 ein gesondertes Entgelt in Höhe 0,99 € pro Monat erhoben hatte, beendeten über 95 % der registrierten Print-Abonnenten der A-Zeitung ihr paralleles E-Abo und zahlten den unverändert gebliebenen Preis fortan ausschließlich für das Print-Abo. Diese Kunden haben vor, während und nach der Einführung der zusätzlichen Möglichkeit zur Nutzung der E-Paper denselben Betrag für ihr Print-Abo gezahlt. Dies bestätigte dem BFH, dass die Einschätzung des österreichischen VwGH, auf die sich die Kl. hilfsweise berufen hatte, zutreffend war. Daher war die damalige Schätzung der Kl., dass kein Anteil des (bei Einführung des E-Papers und nach Erhebung des Zusatzentgelts unverändert gebliebenen) Preises des Print-Abonnements auf das E-Paper entfiel, sachgerecht.
Spannend im Hinblick auf einen Leistungsaustausch bleibt die Frage, von freiwilligen Zahlungen für eine Leistung und ob die Zustimmung zur Verarbeitung von Nutzerdaten durch einen Kunden ein Entgelt für eine „kostenlose“ Bereitstellung elektronischer Dienstleistungen sein könnte. Auf beides kam es im Streitfall, da eine solche Situation nicht vorlag.
Ebenfalls spannend bleibt, wie letztendlich in den Jahren 2013 bis zur Einführung des ermäßigten Steuersatzes auf E-Paper zu verfahren ist. Die Entscheidung lässt trotz der Klarstellung, dass E-Paper und Print-Paper zwei selbständige Leistungen sind, viele Fragen in der Beurteilung offen. Für den streitgegenständlichen Sachverhalt bedurfte es keiner Entscheidung. In späteren Jahren wäre durchaus die EuGH-konformität abzufragen gewesen. Gern begleiten wir Sie, wenn Sie in diesen Fragestellungen mit der Finanzverwaltung um die zutreffende Besteuerung streiten in Ihrem Sinne und zur Klärung der Fragen.
Bei Fragen melden Sie sich gern. Wir unterstützen und beraten Sie gern zu allen Fragen des Umsatzsteuer-, Zoll- und Verbrauchsteuerrechts.
Obwohl alle Beiträge nach bestem Wissen verfasst wurden, kann eine Haftung für den Inhalt nicht übernommen werden. I Stand 06.11.2025.










