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31.10.2025

Keine Steuerbefreiung ohne gültige USt-IdNr! Oder doch Vertrauensschutz?

Revisionszulassung durch BFH nach Gewährung der Steuerbefreiung durch FG trotz fehlender Bestätigungsabfrage der USt-IdNr. des Erwerbers bzw. Nichtexistenz der USt-IdNr.

Übergabe von Fahrzeugschlüsseln und Vertragsunterlagen bei einem Autoverkauf im EU-Binnenhandel – Symbolbild für innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei.

Worum geht es grundsätzlich?

Mit der Quick Fixes Reform (01.01.2020) wurden die USt-IdNr. zur materiell-rechtlichen Voraussetzung für die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen die Verwendung einer ihm erteilten gültigen USt-IdNr. durch den Abnehmer ist lt. der Die Regelung beruht auf dem zum 01.01.2020 geänderten Art. 138 Abs. 1 MwStSystRL.

In Deutschland wurde dies in § 6a Abs. 1 S. 1 Nr. 4 UStG aufgenommen. Vertrauensschutz gewährt § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG. Danach ist eine Lieferung als steuerfrei anzusehen, obwohl die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte.

Ausgangsfall

Der Kl., ein deutscher Gebrauchtwagenhändler, verkaufte in der Zeit von Dezember 2021 bis Februar 2022 mehrere gebrauchte Pkw an eine Firma Z, ansässig in den Niederlanden. Die Geschäftsanbahnung erfolgte fernmündlich bzw. über einschlägige Internetplattformen für den PKW-Handel. Vor erstmaligem Vertragsabschluss ließ der Kl. sich von der Firma Z folgende Unterlagen vorlegen: NL-Handelsregisterauszug über die Tätigkeit von Z, Urkunde über die Erteilung der USt-IdNr. v. 18.10.2021 durch den NL-„Belastingdienst“ sowie Kopie eines bis 2028 gültigen Personalausweises des Geschäftsführers der Firma Z. Auf Basis von am 11.12.2021 und am 16.12.2021 geschlossener Kaufverträge über jeweils einen PKW-Modell 1. holten Beauftragte der Firma Z den jeweiligen PKW beim Kl. ab und legten hierzu schriftliche Bevollmächtigungen der Firma Z vor. Die Kaufpreise wurden jeweils bar entrichtet. Der Kl. behielt Kopien der Personalausweise der Beauftragten ein und führte am 11.12.2021 eine qualifizierte Bestätigungsabfrage der USt-IdNr. der Firma Z durch. Die Firma Z sendete dem Kl. hinsichtlich der beiden PKW am 17.12.2021 die Gelangensbestätigungen zu. Der Kl. behandelte die beiden Lieferungen als innergemeinschaftliche Lieferungen steuerfrei gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG und wies in der Rechnung – unter Angabe der USt-IdNr. der Firma Z – keine USt aus.

Auf Basis der am 11.01.2022, am 24.01.2022 sowie am 02.02.2022 geschlossener Kaufverträge mit der Firma Z über jeweils einen PKW-Modell 1 erfolgte die Geschäftsabwicklung weiterhin mittels Abholung durch Beauftragte unter Vorlage des Personalausweises und schriftlicher Vollmacht der Firma Z. Die Kaufpreise wurden erneut bar entrichtet. Der Kl. behielt jeweils die Kopien der Personalausweise der Beauftragten ein und führte am 11.01.2022, am 24.01.2022 und am 03.02.2022 qualifizierte Bestätigungsabfragen der USt-IdNr. der Firma Z durch. Die Firma Z sendete dem Kläger am 14.01.2022, am 27.01.2022 und 05.02.2022 die Gelangensbestätigungen der PKW zu. Der Kläger behandelte auch diese Lieferungen als innergemeinschaftliche Lieferungen steuerfrei.

Schließlich schloss der Kl. mit der Firma Z am 15.02.2022 Kaufverträge über drei PKW, einen PKW Modell-2 und zwei PKW Modell-1, ab. Auch diese wurden von einem Beauftragten der Firma Z unter Vorlage des Personalausweises und schriftlicher Vollmacht, die das Datum vom 18.02.2022 trug, abgeholt und die Kaufpreise bar entrichtet. Der Kl. behielt die Kopie des Personalausweises des Beauftragten ein und wies in der Rechnung keine USt aus. Am 17.02.2022 sendete die Firma Z dem Kläger die Gelangensbestätigung zu. Im Gegensatz zu den vorherigen Geschäftsvorfällen führte der Kläger bei diesen Verkäufen keine qualifizierte Bestätigungsabfrage der USt-IdNr. der Firma Z durch. Letztmals fragte der Kläger die USt-IdNr. der Firma Z vor einer erneuten Kaufanfrage am 14.03.2022 ab; da diese Abfrage negativ ausfiel, kam es zu keinem weiteren Vertragsschluss.

Das FA versagt nach einer USt-Sonderprüfung die Steuerfreiheit der drei Lieferungen vom 15.02.2022, da der Kl. keine Bestätigungsabfrage für die USt-IdNr. der Firma Z vorlegen konnte. Der Kläger wandte dagegen ein, zwar seien die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG nicht gänzlich erfüllt, da die USt-IdNr. der Firma Z am 15.02.2022 nicht mehr bestanden habe. Allerdings seien die Lieferungen gemäß § 6a Abs. 4 UStG trotzdem als steuerfrei anzusehen, da der Kl. nach kaufmännischer Sorgfalt nicht dazu verpflichtet gewesen sei, die USt-IdNr. am 15.02.2022 erneut zu prüfen. Vielmehr reiche die qualifizierte Bestätigungsabfrage vom 03.02.2022 aus, da es keinen Anlass zu konkreten Zweifeln an den Angaben der Firma Z gegeben habe.

Entscheidung des FG Baden-Württemberg v. 3.4.2025, 12 K 831/24

Das FG hat unter Berücksichtigung der bisherigen Rechtsprechungsgrundsätze zu den Sorgfaltspflichten gemäß § 6a Abs. 4 UStG entschieden, dass der Kläger bei den drei Lieferungen vom 15.02.2022 die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns beachtet habe. Der Kläger musste lt. FG am 15.02.2022 keine erneute Bestätigungsabfrage der USt-IdNr. der Firma Z durchführen. Zudem durfte der Kl. davon ausgehen, dass die Firma Z Abnehmerin der gelieferten PKW war. Im Ergebnis hat das FG die Steuerfreiheit der drei Lieferungen vom 15.02.2022 erkannt. Das FG hatte die Revision nicht zugelassen. Die Voraussetzungen der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns i.S. des § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG seien durch die angeführte BFH-Rechtsprechung hinreichend geklärt. Zudem handele es sich hierbei um eine reine Tatfrage, die als solche nicht revisibel sei.

Zulassung der Revision durch den BFH, Beschl. v. 15.9.2025, V B 25/25

Der BFH hat (ohne Angaben von Gründen) – entgegen dem FG – die Revision zur Klärung der Rechtsfrage zugelassen, welche Bedeutung der Verwendung einer von einem anderen Mitgliedstaat erteilten gültigen USt-IdNr. und ihrer Bestätigungsanfrage nach § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und Abs. 4 Satz 1 UStG mit Wirkung vom 01.01.2020 zukommt.

Hinweise für die Praxis

Die Revision wurde möglicherweise auch deshalb zugelassen, weil das FG nur auf Basis der Vertrauensschutzregelung nach § 6a Abs. 4 UStG entschieden hat. Zu dem ab 01.01.2020 nach § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG geltenden Tatbestandsmerkmal einer innergemeinschaftlichen Lieferung, dass der Abnehmer gegenüber dem liefernden Unternehmer eine ihm von einem anderen EU-Mitgliedstaat erteilte USt-IdNr. verwenden muss, hat das FG nicht entschieden.

Die BFH-Entscheidung bleibt abzuwarten. Möglicherweise wartet der BFH zuvor die Entscheidung des EuG zu dem Vorabentscheidungsersuchen des BFG (Österreich) v. 18.09.2025, RE/2100001/2025, ab. Das BFG hat das EuG u.a. gefragt, ob die Bekanntgabe einer ausländischen USt-IdNr. durch den Erwerber eine materielle Voraussetzung für die Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung ist, sodass die Lieferung bei fehlender Bekanntgabe einer solchen USt-IdNr. steuerpflichtig ist (vgl. INDICET-Blog v. 17.10.2025).

Allen Unternehmen, welche innergemeinschaftliche Lieferungen ausführen, ist anzuraten eine permanente qualifizierte Überprüfung der USt-IdNrn. der Kunden mittels entsprechender IT-Tools durchzuführen. Wenn Sie noch kein IT-Tool verwenden, melden Sie sich gern.

Bei Fragen melden Sie sich gern. Wir unterstützen und beraten Sie gern zu allen Fragen des Umsatzsteuer-, Zoll- und Verbrauchsteuerrechts.

Obwohl alle Beiträge nach bestem Wissen verfasst wurden, kann eine Haftung für den Inhalt nicht übernommen werden. I Stand 30.10.2025.