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23.10.2025

Umsatzsteuerbefreiung für Unterrichtsleistungen selbständiger Lehrer an allgemein- und berufsbildenden Einrichtungen

BFH hat sich zur Rechtslage vor dem 1.1.2025 betreffend die Umsatzsteuerbefreiung für Bildungsleistungen geäußert (hier praktischer Fahrunterricht durch eine selbständige Lehrerin zum Erwerb der Führerscheinklasse B an einer Weiterbildungseinrichtung im Rahmen von der Bundesagentur für Arbeit geförderter Maßnahmen).

Worum geht es grundsätzlich?

Nach § 4 Nr. 21 Buchst. b Doppelbuchst. bb UStG (i.d.F. bis 31.12.2024) sind die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Unterrichtsleistungen selbständiger Lehrer an privaten Schulen und anderen allgemein- oder berufsbildenden Einrichtungen, soweit diese die Voraussetzungen des § 4 Nr. 21 Buchst. a UStG erfüllen, von der Umsatzsteuer befreit. Die Voraussetzungen des § 4 Nr. 21 Buchst. a UStG liegen insbesondere vor, wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass die private Schule oder die andere allgemein- oder berufsbildende Einrichtung auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereitet (§ 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG i.d.F. bis 31.12.2024).

Ausgangsfall

In dem Revisionsverfahren BFH V R 23/24 ging es um die Betreiberin einer Fahrschule (Kl.), die in den Streitjahren 2010 bis 2012 auch als selbständige Fahrlehrerin für eine Weiterbildungseinrichtung tätig war. Diese Einrichtung war laut Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde eine anerkannte Bildungseinrichtung i.S.d. § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG für Lehrgangsveranstaltungen zur beruflichen Aus- und Weiterbildung/Fortbildung und Umschulung als Fahrschule und Fahrlehrerausbildungsstätte. Die Einrichtung führte Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung zum Erwerb von Fahrerlaubnissen der Führerscheinklassen C und D (LKW- und Bus-Führerschein) durch, die von der Bundesagentur für Arbeit nach dem SGB III gefördert wurden. Die Kl. erbrachte an Fahrschüler der Weiterbildungseinrichtung, die Teilnehmer an den von der Bundesagentur für Arbeit geförderten Maßnahmen waren, praktischen Fahrunterricht für den Erwerb der Führerscheinklasse B (PKW-Führerschein), der notwendige Voraussetzung für den Erwerb der Führerscheinklassen C und D ist. Vertragliche Beziehungen bestanden ausschließlich zwischen den Fahrschülern und der Weiterbildungseinrichtung. Die Kl. behandelte ihre Unterrichtstätigkeit als umsatzsteuerfrei nach § 4 Nr. 21 UStG, während das FA und das vorinstanzliche FG (Thüringen) von einer Umsatzsteuerpflicht ausgingen. Das FG hatte die Steuerbefreiung u.a. mit der Begründung versagt, die Kl. habe mit den ihr von der Weiterbildungseinrichtung zugewiesenen Fahrschülern keinen eigenen Fahrschulvertrag geschlossen und somit ihre Leistung ausschließlich gegenüber der Weiterbildungseinrichtung bewirkt. Dies reiche nicht aus, um die Leistung als unmittelbar dem Schulzweck dienend anzusehen.

Entscheidung des BFH

Der BFH hat mit Urteil v. 15.5.2025, V R 23/24 (veröffentlicht am 16.10.2025) entgegen dem FG die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 UStG bejaht. Ein selbständiger Lehrer erbringt danach eine unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienende Unterrichtsleistung an einer berufsbildenden Einrichtung gemäß § 4 Nr. 21 Buchst. b Doppelbuchst. bb UStG (i.d.F. bis 31.12.2024; Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL), die steuerfrei ist, wenn dieser Leistung ein zum Einrichtungsträger bestehendes Rechtsverhältnis zugrunde liegt und er dabei die Schüler der Einrichtung persönlich unterrichtet.

Hinweise für die Praxis

Der BFH betrachtet die unionsrechtliche Grundlage von § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG in Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL, also der Vorschrift zur Steuerbefreiung von Schul- und Hochschulunterricht, Aus- und Fortbildung sowie beruflicher Umschulung und damit eng verbundener Leistungen für einschlägig. Der Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL für die Umsatzsteuerbefreiung von Privatlehrern erteilten Schul- und Hochschulunterricht sei im konkreten Sachverhalt nicht anzuwenden. Für den BFH ist die Leistung, die ein selbständiger Lehrer an der Unterrichtseinrichtung eines anderen Unternehmers erbringt, ohne dass ein Rechtsverhältnis zwischen dem selbständigen Lehrer und den Schülern besteht, jedenfalls eine mit der Unterrichtsleistung im Sinne des Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL eng verbundene Dienstleistung. Dies ist ein Novum in der BFH-Rechtsprechung und steht auch im Widerspruch zu einigen Literaturansichten.

Anders als z.B. der Fahrschulunterricht durch eine Fahrschule, der im Hinblick auf den Erwerb der Fahrerlaubnisse für Kraftfahrzeuge der Klassen B und C1 nach dem EuGH-Urteil v. 14.3.2018, C-449/17 (A & G Fahrschul-Akademie) kein nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j MwStSystRL steuerfreier Schul- oder Hochschulunterricht ist, kann eine Leistung des Fahrschulunterrichts durch einen selbständigen Lehrer an einer Bildungseinrichtung unter den Voraussetzungen des § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG im Ergebnis gleichwohl steuerfrei sein.

Die BFH-Entscheidung wirkt auch auf die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 UStG i.d.F. ab 1.1.2025. Denn die Steuerbefreiung für Leistungen selbständiger Lehrer nach § 4 Nr. 21 Buchst. b Doppelbuchst. bb UStG i.d.F. ab 1.1.2025 ist gegenüber der bis 31.12.2024 geltenden Rechtslage unverändert geblieben. Die ab 1.1.2025 mit der Reform des § 4 Nr. 21 UStG einhergegangene Vereinfachung des Bescheinigungsverfahrens hat gleichwohl Auswirkungen auf die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG für die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Unterrichtsleistungen selbständiger Lehrer an privaten Schulen und anderen allgemeinbildenden oder berufsbildenden Einrichtungen: Diese Leistungen sind zwingend steuerfrei, soweit die genannten Einrichtungen die Voraussetzungen von § 4 Nr. 21 Buchst. a UStG erfüllen, also im Besitz einer Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde sind, dass sie Schulunterricht, Hochschulunterricht, Ausbildung, Fortbildung oder berufliche Umschulung erbringen. Sofern ein selbständiger Dozent für einen gewerblichen Seminarveranstalter tätig wird, der seinerseits keine Bescheinigung besitzt, ist die Leistung des Dozenten, so er selbständiger Lehrer ist, zwingend steuerpflichtig. Wird der Dozent für einen Seminarveranstalter tätig, dessen Bildungsleistung steuerfrei ist, so ist auch die Vortragstätigkeit des Dozenten zwingend steuerfrei.

Obwohl alle Beiträge nach bestem Wissen verfasst wurden, kann eine Haftung für den Inhalt nicht übernommen werden. I Stand 20.10.2025.