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Innergemeinschaftliche Lieferung, Steuerbefreiung, Verwendung der USt-IdNr. durch den Erwerber; Rechtslage ab 01.01.2020
Vorabentscheidungsersuchen des Bundesfinanzgerichts (Österreich) v. 18.09.2025, RE/2100001/2025.

Worum geht es grundsätzlich?
Seit dem 01.01.2020 ist mit § 6a Abs.1 Satz 1 Nr. 4 UStG das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung zusätzlich daran geknüpft, dass der Abnehmer der Lieferung, soweit er ein Unternehmer ist oder eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, gegenüber dem liefernden Unternehmer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte gültige USt-IdNr. verwendet hat. Die Verwendung einer ihm erteilten gültigen USt-IdNr. durch den Abnehmer ist lt. der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 19/13436, 154) seit 01.01.2020 eine zusätzliche materiell-rechtliche Voraussetzung für das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung (und damit u.a. auch Voraussetzung für die Steuerbefreiung der Lieferung, denn nur eine innergemeinschaftliche Lieferung als solche kann umsatzsteuerfrei sein). Die Regelung beruht auf dem zum 01.01.2020 geänderten Art. 138 Abs. 1 MwStSystRL.
Ausgangsfall
Das österreichische Bundesfinanzgericht hat über einen Fall des österreichischen Vorsteuervergütungsverfahrens zu entscheiden. Ein im Vereinigten Königreich ansässiges Unternehmen (BC) hat von einem österreichischen Unternehmer (AT) Waren gekauft, die AT im Auftrag des BC nach Schweden (Ankunftsmitgliedstaat) geliefert hat. BC hatte AT zum Lieferzeitpunkt keine ausländische USt-IdNr. mitgeteilt, sodass AT die an sich vorliegende innergemeinschaftliche Warenlieferung steuerpflichtig mit österreichischer Umsatzsteuer abrechnete. BC hatte AT im Nachhinein dann eine irische USt-IdNr. mitgeteilt, dennoch blieb AT bei seiner Abrechnung mit österreichischer Umsatzsteuer, eine nachträgliche Korrektur der Rechnung sei nicht möglich. BC hat sodann die Erstattung dieser USt im Vorsteuer-Vergütungsverfahren beantragt. Die österreichische Erstattungsbehörde hat dies abgelehnt, weil das Verfahren gem. Art. 5 der 8. Richtlinie (79/1072/EWG) nicht auf Lieferungen von Gegenständen anwendbar sei, die steuerfrei sind oder nach Art. 15 Nr. 2 der 6. EG-Richtlinie von der Steuer befreit sein könnten. Da die Lieferung von AT an BC als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei sein könnte, könne keine Erstattung der USt erfolgen.
Entscheidung des BFG (Österreich)
Das Gericht hat den EuGH um Vorabentscheidung zu mehreren Fragen gebeten (entscheiden wird voraussichtlich, nach dem Zuständigkeitswechsel zum 01.10.2024 aber das EuG). Das Gericht will (verkürzt dargestellt) wissen:
- Ist die Bekanntgabe einer ausländischen USt-IdNr. durch den Erwerber eine materielle Voraussetzung für die Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung, sodass die Lieferung bei fehlender Bekanntgabe einer solchen USt-IdNr. steuerpflichtig ist?
- Wenn die 1. Frage bejaht wird (Vorliegen einer steuerpflichtigen Lieferung). Fällt die MwSt unter das Vorsteuer-Vergütungsverfahren und besteht dafür ein Recht auf Vorsteuerabzug bzw. ein Recht auf Erstattung der Vorsteuer?
- Wenn die 2. Frage bejaht wird: ist bei nachträglicher Bekanntgabe einer bereits zum Zeitpunkt der Lieferung vergebenen und gültigen ausländischen USt-IdNr. die Berichtigung der ursprünglichen Rechnung zulässig, oder steht ein Vorsteuerabzug bzw. eine Vorsteuererstattung des Empfängers einer Berichtigung entgegen?
- Wenn die 3 Frage bejaht wird und eine Berichtigung zulässig ist: Wirkt eine solche Berichtigung auf den Zeitpunkt des Umsatzes zurück (ex-tunc-Berichtigung) oder erst im Zeitpunkt der Berichtigung (ex-nunc-Berichtigung)?
Hinweise für die Praxis
Erstaunlich an dem Vorabentscheidungsersuchen ist zunächst zweierlei. Das BFG macht keinerlei Angaben zum Zeitpunkt der Lieferung. Da sich die Fragen auf das ab 01.01.2020 gültige Unionsrecht richten, müsste der Lieferzeitpunkt nach dem 31.12.2019 liegen. Gleichzeitig wurde lt. Gericht die Versagung der Vorsteuer-Vergütung mit Art. 5 der 8. EG-Richtlinie begründet. Diese Richtlinie ist aber bereits seit dem 01.01.2010 durch die RL 2008/9/EG ersetzt; diese RL regelt den Ausschluss vom Vorsteuer-Vergütungsverfahren in Art. 4 Buchst. b, inhaltlich im Vergleich zu Art. 5 der 8. EG-Richtlinie unverändert und die Vorschrift wurde auch im Zuge der Änderung von Art. 138 Abs. 1 MwStSystRL zum 01.01.2020 nicht verändert.
Nach Art. 138 Abs. 1 MwStSystRL setzt die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen ab 01.01.2020 ausdrücklich voraus, dass der Steuerpflichtige oder die nichtsteuerpflichtige juristische Person, für den bzw. die die Lieferung erfolgt, für Mehrwertsteuerzwecke in einem anderen Mitgliedstaat als dem Mitgliedstaat registriert ist, in dem die Versendung oder Beförderung der Gegenstände beginnt, und dem Lieferer diese USt-IdNr. „mitgeteilt“ hat.
Derzeit erscheint es – auch im Hinblick auf den Neutralitätsgrundsatz der MwSt – fraglich, einen Hinderungsgrund für den Vorsteuerabzug in Art. 4 Buchst. b der RL 2008/9/EG zu sehen, insbesondere weil die Mitteilung der USt-IdNr. des Abnehmers als materielles Tatbestandsmerkmal in Art. 138 Abs. 1 MwStSystRL enthalten ist und streng genommen eine innergemeinschaftliche Lieferung nach den Maßstäben von Art. 138 MwStSystRL nicht gegeben sein kann, wenn dieses Tatbestandsmerkmal nicht erfüllt ist.
Es bleibt abzuwarten, welchen Charakter das EuG dieser Vorschrift beimisst und wie es dann die übrigen Fragen des BFG beantwortet.
Obwohl alle Beiträge nach bestem Wissen verfasst wurden, kann eine Haftung für den Inhalt nicht übernommen werden I Stand 16.10.2025.
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