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15.08.2025

Live-Veranstaltungen und Aufzeichnungen können wieder nach § 4 Nr. 21 UStG umsatzsteuerfrei sein

Online-Veranstaltungen gehören inzwischen fest zum Alltag vieler Bildungsdienstleister, doch umsatzsteuerrechtlich waren sie lange Zeit ein Unsicherheitsfaktor – nicht zuletzt wegen des umstrittenen BMF-Schreibens vom 29.04.2024.

Symbole für Live-Veranstaltungen und Aufzeichnungen, darunter Live-Stream, Broadcast, Online-Meeting, Podcast, Kamera, Konferenz, Chat und Webinar.

Damals stand insbesondere die Frage im Raum, wo der Leistungsort einer Streamingleistung liegt – auch wenn die Gesetzesänderung erst zum nächsten Jahresbeginn in Kraft tritt, wann Steuerbefreiungen greifen und wie Angebote zu behandeln sind, die Live-Streaming und Aufzeichnungen als Bundle zum einheitlichen Entgelt behandelt werden. Das BMF-Schreiben aus April 2024 wurde vielfacher Kritik unterzogen und so erfreut es, dass nun eine Revision der Verwaltungsanweisung veröffentlicht wurde.

Mit dem neuen Schreiben vom 08.08.2025 hat das BMF nun erneut zur umsatzsteuerlichen Behandlung Stellung genommen und das alte Schreiben aus dem Jahr 2024 vollständig ersetzt.

Vorproduzierte Inhalte gelten weiterhin als elektronisch erbrachte Dienstleistungen, sind damit weder steuerbefreit noch ermäßigt besteuert. Live-Streaming oder hybride Veranstaltungen gelten dagegen als sonstige Leistungen, die – bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen – den Steuerbefreiungen nach § 4 Nr. 14, Nr. 20 oder Nr. 21 UStG oder dem ermäßigten Steuersatz für Eintrittsberechtigungen nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchstabe a) UStG unterliegen können. Dies soll auch für die Fälle gelten, in denen diese Leistungen im Wege der Dienstleistungskommission nach § 3 Abs. 11 bzw. Abs. 11a UStG erbracht werden.

Eine entscheidende Änderung betrifft Rn. 12 des Schreibens. Hier hatte die Finanzverwaltung bislang sehr restriktiv im Fall einer Kombination aus Live-Veranstaltung und Überlassung einer Aufzeichnung zum einheitlichen Entgelt vertreten, eine einheitliche Leistung eigener Art vorläge – mit der Folge, dass der Regelsteuersatz von 19 % Anwendung fände.

Diese enge Sichtweise ist nun gestrichen. Ob es sich bei der neben der Bereitstellung eines Live-Streams angebotenen weiteren Leistung in Form einer Aufzeichnung, die zu einem späteren Zeitpunkt abgerufen werden kann, zusammen mit der Bereitstellung des Live-Streams um eine einheitliche Leistung handelt, ist nach den allgemeinen Regelungen zur Einheitlichkeit der Leistung zu beurteilen. D.h. es können je nach Ausgestaltung eine Haupt- und Nebenleistung oder zwei separate Leistungen vorliegen. Maßgeblich ist dabei das Wesen des Umsatzes aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers. Das gibt Auslegungsspielraum und zugleich verbleibt in der Praxis eine gewisse Unsicherheit. Angesichts der stark ausgeprägten Rechtsprechung zur Einheitlichkeit der Leistung in Form von Haupt- und Nebenleistung wird man viele Sachverhalte beurteilen können. Gleichwohl ist die Sicht des Durchschnittsverbrauchers doch oft erst nach letztinstanzlicher Entscheidung tatsächlich feststehend.

Bis zum 31.12.2025 dürfen sich Anbieter weiterhin auf das aufgehobene Schreiben vom 29.04.2024 berufen – auch im Hinblick auf den Vorsteuerabzug aus Eingangsleistungen. Dies betrifft vor allem diejenigen, welche sich darauf eingestellt haben, dass ihre Live-Veranstaltungen, welche mit Aufzeichnung überlassen werden auch stets als Leistung sui generis zu beurteilen sind und der Umsatzsteuerpflicht unterliegen. Die Grundsätze dieses Schreibens sind im Hinblick auf die Umsatzsteuerbefreiungen in allen offenen Fällen anzuwenden. Spätestens ab dem 01.01.2026 sollen die neuen Regelungen auf alle Umsätze angewandt werden. Zu beachten ist, dass die sonstigen Leistungen immer mit Vollendung erbracht werden, so dass Seminar- und Bildungsveranstaltungen, welche sich über einen längeren Zeitraum erstrecken ggf. darüber nachdenken sollten von vornherein Teilleistungen wirksam zu vereinbaren. Bei Fragen steht Ihnen das Team von INDICET Partners gern mit Rat und Tat zur Verfügung.